Christopher Chippindale / Paul S. C. Taçon (ed.)
The Archaeology of Rock-Art


Cambridge / New York / Melbourne / Madrid 2000 (reprinted with corrections; 1998 first published)

Cambridge University Press, 18 + 373 p.
ISBN 0-521-57256-8 and 0-521-57619-9



Das vorliegende Buch hat 19 Kapitel, die von insgesamt 20 Autoren geschrieben wurden. Die Herausgeber selbst stehen gemeinsam für die Kapitel 1 und 6 Pate. Je­des Kapitel hat seine Abbildungen in den zweispaltig gesetzten Text integriert und sein eigenes Literaturverzeichnis. Ein sehr fein gegliederter, 27seitiger Index er­schließt das Sammelwerk zuverlässig von hinten, jeweils 4 Seiten Inhaltsverzeichnis und Abbildungsregister von vorne.



1. An archaeology of rock-art through informed methods and formal methods (Ta­çon/Chippindale; S. 1-10)

Die Herausgeber führen in die Gesamtthematik ein und erläutern die Struktur des Buches. An Beispielen wird verdeutlicht, dass es in Australien eine Tradition gibt, dass die Felsbildkunst (die Autoren wählen ‚rock-art’ als Überbegriff, differenzieren aber durchaus eigentliche Malerei als Auftrag auf die Felsen und Gravuren, Punzie­rungen, Schliffe etc. als Abtrag der Felsoberfläche als Bildträger) vom Eiszeitende bis in die Gegenwart von Aborigines weitergeführt wird. 1971 gelang erstmals die Über­tragung der Bilder auf flexible Träger mittels anderer Farben (Leinwand und Acryl).

Fünf Kriterien wurden erarbeitet, nach denen vorgegangen wird:
1) Welches Material liegt vor – Bestandsanalyse
2) Aus welcher Zeit stammt das Bild – Datierung
3) Studium mit Zusatzinformationen (informed methods) – Kenntnisse aus Nachbar­wissenschaften oder besser, aus ungebrochener Tradition wie in Australien
4) Studium mir formalen Methoden (formal methods) – Interpretation des Bildes
5) Analogieuntersuchung – manchmal geben Felsbilder an einem Fundort, den man aufsuchen kann, Informationen über Bilder, die man nicht besuchen kann.

In jedem Folgekapitel kommen zumindest einige dieser Kriterien zur Anwendung. Die vorgestellten Plätze der Fallstudien liegen in Australien, Südafrika, Nordamerika, Skandinavien, West-Europa, Zentralasien, Pazifische Inseln. Ganz ausgelassen wurde beispielsweise Nord- und Westafrika (dies ohne Begründung).


2. Finding rain in the desert: landscape, gender and far western North American rock-art (D: S. Whitley; S. 11-29)

In Kalifornien, im Großen Becken und auf dem Columbia Plateau gibt es eine ganze Reihe Felsbilder. Die kalifornischen sind überwiegend gemalt. Es wurden rote, gelbe, schwarze, weiße und blau-grüne Pigmente dokumentiert, vom Stil dominieren geo­metrische Motive. In der Great-Basin-Tradition herrschen Punzierungen vor. Ein­drucksvoll abgebildet ist ein springendes Big Horn Schaf, das als schamanistischer Tier-Helfer gedeutet wird. Andere Darstellungen sind u.a. Katzen, Schlangen, Eid­echsen. Als dokumentierte Altersangabe stehen im Great Basin 16500 B.P. (vor heute) und früher zur Debatte. Andere Darstellungen lassen sich durch ethnographische Ver­gleiche später einordnen. Vermutlich wurden die meisten Gravuren innerhalb der letzten 2000 Jahre gemacht.
Über längere Strecken wird die Diskussion verschiedener Motive wiedergegeben, die einen veränderten Bewusstseinszustand beim Künstler voraussetzt. Andere Dar­stellungen werden als Initiationsbilder gedeutet, für die es ethnographische Belege bis ins 19. Jh. gibt. Eine ganze Reihe Fundplätze belegen schamanistische Rituale. Die sehr ausführliche Bibliographie (4 Seiten) hilft bei Fragen sicher weiter.


3. Towards a mindscape of landscape: rock-art as expression of world-understanding (S. Ouzman; S. 30-41)

Dieser Aufsatz ist eher ein Überblick und hat drei Fragestellungen: Das kognitive System der prähistorischen Menschen, ihre Landschafts- bzw. Umgebungswahr­nehmung und Schamanismus. Zwei Aussagen lassen sich machen: Felsbilder lassen sich nicht linearisieren wie Text und Felsbilder sind aus dem normalen Kontext herausgehoben. Dies wird durch Vergleich mit der Lebensweise der San (Buschmänner) begründet. Die Bilder könnten nach der zweiten These schamanistischen Ursprungs sein, also einen Bezug zu übersinnlicher Wahrnehmung haben. Nach einer dritten These sind Felsbilder Marker für die Übergänge zwischen den Welten. Diese These favorisiert Ouzman und ver­sucht das durch Schilderungen und Beschreibungen aus Südafrika zu erhärten.


4. Icon and narrative in transition: contact-period rock-art and Writing-On-Stone, southern Alberta, Canada (M. A. Klassen; S. 42-72)

Writing-On-Stone am Milk-River ist mit mehr als 280 Felsbildern an 93 Plätzen der bedeutendste Fundort in den Great Plains. Klassen stellt ihn vor, beschreibt und liefert viel Bildmaterial. Ungewöhnlich sind Schild-Figuren mit einem kreisförmigen, gemusterten Rumpf, winzigem Kopf und winzigen Beinen. Weil es auch derartige Figuren mit Gewehrdarstellungen gibt, ist eine ungefähre zeitliche Einordnung der Male­reien möglich. Ein zweiter Bildhorizont enthält Pferde- und Reiterdarstellungen bis hin zu komplexen Kampfszenen. Die abschließenden Betrachtungen stellen den Zusammenhang zwischen den heiligen Plätzen der Blackfoot und den Felsbildern her.


5. Rain in Bushman belief, politics and history: the rock-art of rain-making in the south-eastern mountains, southern Africa (Th. A. Dowson; S. 73-89)

Im letzten Viertel des 20. Jhs. wurden große Fortschritte bei der Datierung und Entschlüsselung der Felsbilder in Südafrika gemacht. Vor allem Buschmannwissen half bei der Erarbeitung der spirituellen Dimension und dabei, welche Tiere mit Regen und Regen-Machen in Verbindung stehen. Eine ganze Reihe der Regen-Kreaturen (nicht spezifiziert) und Regen-Schlangen werden abgebildet.


6. The ways of dating Arnhem Land rock-art, north Australia (Ch.
Chippindale / P. S. C. Taçon; S. 90-111)

Durch die gute Vorarbeit der ersten Forschergeneration, die die Felsbilder in Arnhem Land untersuchte, konnte jüngst eine sichere relative und absolute Chronologie aufgestellt werden. Einige hundert Fundplätze mit mehreren tausend Bildern sind bekannt. Die Tradition der Felsmalerei ging fort bis ins 20. Jh. hinein. Für einige Bilder konnten die Künstler direkt nach der Bedeutung und dem Grund des Malens gefragt werden. Auch das Wissen über die Traumzeit half weiter. Um es kurz zu machen: Alle im 1. Kapitel beschriebenen Methoden zur Erforschung konnten angewendet werden. Hilfreich war das Vorkommen von Vielfach-Übermalungen, die in ihrer Tiefenstruktur analysiert wurden und von Bienenwachsapplikationen in einigen Bildern, die eine direkte C14-Messung ermöglichten. In einer Überblickstabelle wurde der Forschungsstand festgehalten. Die Wege dorthin sind genau dokumentiert. Eine vorbildliche Arbeit.


7. The ‚Three Cs’: fresh avenues towards European Palaeolithic art (J. Clottes; S. 112-129)

In den 90er Jahren gab es drei große Entdeckungen: Cosquer 1991 – eine Höhle mit untermeerischem Zugang in den Calanques, Chauvert 1994 – eine Höhle in den Ardèche-Schluchten (beides Südfrankreich) und Côa 1994 – Petroglyphen im gleichnamigen Tal in Nordportugal.
Gemeinsam ist beiden Höhlen, dass Malereien ganz ungewöhnlicher Güte entdeckt wurden und dass aufgrund verbesserter Methoden direkte Radiokarbon-Messungen vorgenommen werden konnten. Für Cosquer sind liegen viele Messungen zwischen 18000 und 27000 B.P. Chauvet besticht durch seine einzigartigen Malereien von Tieren in ungewöhnlicher Dichte. Einige Malereien wurden zwischen 30000 und 32000 B.P. datiert und stellen einen Altersrekord dar. Im Côa-Tal kommen punzierte und gravierte Bilder vor, auch in mehrfacher Überlagerung. Zum Schluss gibt Clottes noch einen Überblick über die 32 bisherigen direkten AMS-Altersbestimmungen in 9 Höhlen. Insgesamt kommt der Autor zum Schluss, dass die neuen Funde unser Wissen über die paläolithische Kunst immens vergrößerten.


8. Daggers drawn: depictions of Bronze Age weapons in Atlantic Europe (R. Bradley; S. 130-145)

Ganz im Westen Europas gibt es eine Reihe von Fundplätzen – Zentrum des Artikel sind Alentejo (SW-Portugal), Galizien (NW-Spanien) im Vergleich zu SW-England und W-Schottland. Die Motive entstanden wohl in der frühen Bronzezeit (2300 – 1500 v.Chr.) und stellen Bronzewaffen mit ihren typischen Formen dar: Äxte, Helebarden, Dolch- und Schwertklingen hauptsächlich. Die galizischen Motive sind teilweise stark abstrahiert. Die Gravuren und ihre Exposition werden detailliert erörtert. Warum derartige Bilder gerade an der Westküste Europas zu finden sind bleibt offen.


9. Symbols in a changing world: rock-art and the transition from hunting to farming in Mid-Norway (K. Sognnes; S. 146-162)

Es wird gleich vorausgeschickt, dass die Datierung der freiliegenden Punzierungen in Skandinavien schwierig ist. Trotzdem können die Trondheimer Petroglyphen zwischen 4500 v.Chr. und 400 n.Chr. eingeordnet werden. Felsbilder werden seit ca. 130 Jahren untersucht an etwa 200 Fundstellen. In einer guten Übersicht werden Tier- und Schiffsdarstellungen mit typischer Formgebung und ungefährer Zeitskala gegenübergestellt. Da die meisten Fundplätze in den Fjorden liegen und auf unterschiedlicher Höhe, wurde zur Datierung (nur für Skandinavien so möglich !!) die nacheiszeitliche Landhebung herangezogen. Ein Foto dokumentiert einerseits die Tatsache, dass die Plätze nur aus der unmittelbaren Nachbarschaft zu entdecken sind und andererseits die gute Qualität der Umzeichnungen, die ansonsten verwendet wurden. Insgesamt eine gediegene Arbeit mit überraschenden Details.


10. Pacific rock-art and cultural genesis: a multivariate exploration (M. Wilson; S. 163-184)

Wilson präsentiert nicht einzelne Fundplätze, sondern offeriert die Resultate einer größeren Studie: Felsbilder im Vergleich, Motive werden mit mathematischen Modellen aufgrund ihrer Geometrie (z.B. Achsenlängen) korreliert und das über gesamten pazifischen Raum. Intensiv diskutiert werden die verschiedenen Modelle der Besiedelung des pazifischen Raumes von Kirch und Green. Die Felsbilder bieten einen unabhängigen Ansatz. In der Studie konzentriert sich Wilson auf anthropomorphe und geometrische Motive und gliedert den Gesamtraum in 17 Bezirke von den Oster-Inseln bis Neuguinea. Die Motivauswahl wird gerechtfertigt, dass sie über 50% der Bildanteile in jedem Bezirk liefert. Teilweise konnten die Besiedelungsmodelle des pazifischen Raumsbestätigt werden, teils liefern sie neue Details (z.B. gibt es vielleicht 2 unabhängige Kolonisationsperioden von Hawaii ca. 1000 und ca. 1300 n.Chr.). Grundsätzlich bietet die Felsbildkunst einen Forschungsansatz, der aus einer Nische herauskommt und für die Zukunft wichtiger werden wird. Ein Artikel mit manch überraschender Einsicht.


 11. Spatial behaviour and learning in the prehistoric environment of the Colorado River drainage (south-eastern Utah), western North America (R. Hartley / A. M. Wolley Vawser; S. 185-211)

Ein interessanter Ansatz, der auf der These beruht, dass Felsbilder als Landschaftsmarker benutzt wurden und so das Raum-Bewußtsein der Menschen beeinflussten. In ihrer Studie gingen die Autoren von drei nahe beieinanderliegenden Ansammlungen von Felsbildfundplätzen aus, die zusammen mit Vorratsdepots in den Seitencanyons und –tälern des Colorado vorkommen. Zudem mussten diese Plätze gut dokumentiert sein und es mussten gute Karten existieren. Mit einem Geographischen-Informations-System (GIS) wurde ein Geländemodell digitalisiert, die effizientesten Verkehrswege ermittelt und die Sichtverbindung auf die Felsbildstationen pro 30m-Rasterquadrat erfast. Eine schwer einzuschätzende Schwierigkeit wurde ebenfalls diskutiert – auch potentielle Diebe können sich an derartigen Marken orientieren, was ihren Sinn in Frage stellen könnte. Computereinsatz eröffnet wirklich neue Mög­lichkeiten. Ob die Altamerikaner aber aus Gründen, die wir uns ausdenken, ihre Bilder erstellten, bleibt dahingestellt. Trotzdem: Ein begrüßenswerter, innovativer Ansatz.


12. The tale of the chameleon and the platypus: Limited and likely choices in making pictures (B. Smith; S. 212-228)

Eine seltsame Geschichte, die aber jedem widerfahren könnte. Der Autor steht vor dem Bild eines Chamäleons und benennt es als ein solches. Der einheimische Begleiter aus Malawi fragt zurück, was ihn sicher mache, dass dies ein Chamäleon sei. Tiefe Verunsicherung. Szenenwechsel von Afrika nach Australien. Ein singuläres Bild, fischförmig, aber mit fünffingrigen Gliedmaßen und mit nichts vergleichbar. Dies löst eine tiefsinnige Reflexion über den Bildentstehungsprozess insgesamt aus. Eine philosophisch orientierte Betrachtung – aber hilft sie uns, die Überlegungen der Felsbildkünstler wirklich nachzuvollziehen?


13. Pictographic evidence of peyotism in the Lower Pecos, Texas Archaic (C. E. Boyd; S. 229-246)

Im Lower Pecos Gebiet wurden Hunderte Felsbilder gefunden und in vier Stile geordnet. Die organischen Bindemittel der Farben wurden auf ihre DNS geprüft, die AMS-Datierungen von ca. 4200 bis 2950 B.P. gemacht. Die Autorin beschreibt die Methoden ihrer Untersuchung und dann die sehr abstrakt wirkenden Malereien mit anthropomorphen Darstellungen. Schwenk: Darstellung botanischer Details des Peyote, dann ein Überblick über den historisch (seit ca. 1560) fassbaren Peyote-Kult, dann der über den Huichol-Peyotismus. So vorbereitet wird das große Bild, das im Zentrum der Betrachtung steht, als Resultat kultischer Peyote-Séancen interpretiert. Der Gebrauch des Peyote wird durch 7000 Jahre alte Funde (Peyote-Buttons) bis weit in die Frühgeschichte zurück fassbar. Eine überzeugende, tiefsinnige Studie, die ein Schlaglicht auf mögliche religiöse Kulte in ferner Vergangenheit liefert.


14. Modelling change in the contact art of the south-eastern San, southern Africa (P. Jolly; S. 247-267)

Die San-Malerei in der Region Drakensberg wurde offensichtlich kontinuierlich ausgeübt bis ins späte 19. Jh. hinein. Die Malereien sind so naturalistisch, dass San und andere Ethnien nach üblicher Interpretation identifiziert werden können. Durch die AMS-Datierung besteht jetzt die Möglichkeit, innerafrikanische Migration bzw. ihretwegen auftretende Konflikte vor der europäischen Durchdringung zu datieren. Die im 1. Kap. vorgestellten Methoden werden für diese Fallstudie erläutert. Der Wechsel in der rituellen Praxis wird belegt durch neue Symbole, wobei deutlich wird, dass auch alte und neue Riten parallel existierten. Die Kernthesen sind durch gutes Bildmaterial nachvollziehbar belegt.


15. Ethnography and method in southern Africa rock-art research (A. Solomon; S. 268-284)

Ging der letzte Artikel geographisch ins Detail, sucht Solomon den Blick auf den gesamten Großraum Südafrika staatenübergreifend mit vielen tausend Fundplätzen auszudehnen. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Tradition der San-Kunst seit langem tot ist, und wir keine Einsicht in die Praxis der Malerei haben. Sie stellt sich hiermit in einen gewissen Gegesatz zu Jolly, auch bezüglich der Wertung der Altersangaben, obwohl sich beide auf dieselben Quellen beziehen. Hier hätten die Herausgeber einen klärenden Kommentar liefern können. Solomon diskutiert ausführlich die vor 20 Jahren erstmals aufgestellte schamanistische Interpretation der San-Kunst, die sich als außerordentlich fruchtbar erwiesen hatte. Genauer untersucht sie in ethnographischen Belegen Hinweise für Trance-Zustände bei Buschmann-Ritualen und hinterfragt die vorliegenden Detailstudien anderer Autoren (nebenbei: nicht jeder Trance-Zustand kann sofort als schamanistisches Ritual interpretiert werden und bisher gilt Afrika als Kontinent ohne Schamanismus!). Ein weiterer Schritt ist die formale Analyse des Motivs der ‚Mystischen Frau’, das quer durch die vorliegende Literatur verfolgt und durch Abbildungen belegt wird in Bezug auf die Darstellungsart: frontal statt lateral, wie sonst üblich. Insgesamt urteilt Solomon, dass die ethnographischen Analogien in Südafrika bestens zur Interpretation der Felsbilder geeignet sind. Der teilweise kämpferisch-kritische Unterton der Studie rührt vielleicht daher, dass sie ein Auszug aus einer Dissertation ist.


16. Changing art in a changing society: the hunters’ rock-art of western Norway (E. M. Walderhaug; S. 285-301)

Gegenstand des Aufsatzes sind 6 Felsbildplätze mit etwa 400 Ritzungen in West-Norwegen. Alle liegen an Fjorden. Überraschend war die fortgeschrittene (natürliche) Zerstörung des weichen Phyllits in Ausevik, einem Fundplatz, der vor 70 Jahren erstmals dokumentiert wurde. Die Tierabbildungen (hauptsächlich Hirsch, Ren, Elch) werden einer formalen Analyse unterzogen und nach Darstellungs- bzw. Abstraktionskriterien geordnet. Ein Ergebnis war die Rückführung der abstrakten Bilder auf den Einfluss der agrarischen Kulturen in Südskandinavien oder West-Europa.

17. Central-Asian petroglyphs: between Indo-Iranian and shamanistic interpretations (H.-P. Francfort; S. 302-318)

Petroglyphen sind zahlreich in Zentralasien zu finden – mehrere hundert Plätze sind bekannt. Anders als in vielen Gebieten der Erde liegt aber hier eine begleitende Fundsituation vor. Im Permafrostboden des Altai haben sich Textilien in Form von Kleidungsstücken und Pferdeausstattung genauso erhalten wie tatauierte Körperornamente. Weit in die Vergangenheit reichen die Veden und der Avesta als Schriftquellen. Was den Bildinhalt angeht, konkurrieren zwei Thesen miteinander. Die indo-iranische Theorie nimmt die Felsbilder als Illustrationen alter Texte, die schamanistische interpretiert sie als Ausdruck der alten Glaubensvorstellungen und Rituale. Die einzelnen Gattungen (Tiere, Waffen, Wagen) diskutiert Francfort ausführlich jeweils mit pro und contra, so dass man sich als Leser bestens informieren kann. Etwas kürzer kommt die schamanistische Theorie weg. Beide müssen aber sicher als Möglichkeiten in Betracht gezogen werden.


18. Shelter rock-art in the Sydney Basin – a space-time continuum: Exploring differ­ent influences on stylistic change (J. McDonald; S. 319-335)

Dieser Abschnitt basiert auf der unpublizierten Dissertation des Autors mit wegweisendem Titel: ‘Dreamtimes superhighway’. Im Sydney-Becken mit rund 300000 km² werden zwei Arten von Felsbildern gefunden: Gravuren oder Punzierungen auf ebenem Sandstein und pigmentieret, auch gemalte  in Überhängen. Vom Alter her liegen sie im späten Pleistozän mit zwei Schüben der Ausbreitung – vor rund 5000 und rund 3000 Jahren. Direkte Altersbestimmungen mittels AMS-Methode waren möglich (11 Daten sind tabelliert). Zur Auswertung stand Material aus über 1200 Plätzen mit über 22000 Einzelmotiven zur Verfügung. Die statistische Analyse zeigt bei den ebenen Gravuren Fußmotive als numerischen Spitzenreiter, bei den steilwandigen Handmotive; insgesamt wurden je 26 Rubriken gebildet. Ausführlich referiert McDonald die Ethnohistorie der Aborigines, die mit 4 Sprachgruppen in der Region vertreten waren. In einzelnen Schritten werden die Zeithorizonte ab dem Pleistozän geschildert und tabelliert. Insgesamt eine Arbeit, die durch ihren Überblick überzeugt.


19. Making sense of obscure pictures from our own history: exotic images from Cal­lan Park, Australia (J. Clegg; S. 336-345)

Im Hafengebiet von Sydney gibt es eine Reihe von Gravuren im Fels aus der jüngsten Vergangenheit, die der Autor seit über 20 Jahren im Blick hat. Darstellungen von Menschen, Schiffen, Fischen sind häufig in Verbindung mit kryptologischen Schrift­zügen, die der Autor entziffert oder es zumindest versucht. Oft ist dies nur über die Lautierung möglich. Ob alles sinnvoll ist, bleibt offen. Ein Beleg dafür, wie unverständlich manches Felsbild selbst dem Zeitgenossen bleibt.

Obwohl sich die Herausgeber zu jedem Artikel im Kleindruck kurz äußern (oder sind es die Autoren selbst?), hätte ich mir zu manchem Artikel die redigierende oder ergänzende, kommentierende Hand der Herausgeber gewünscht.
Anfangs lobte ich den Index. An einer Stelle allerdings versagt er völlig: Unter ‚AMS radiocarbon dating  6’ findet man nur Dürftiges im zugehörigen Text. Ich hätte folgende Erweiterung:
AMS radiocarbon dating                                                    3, 6, 126, 229, 319, 330f., 333f.
            see Accelerator Mass Spectrometry                    180
            see Accelerator Carbon-14 dating method         250
            and see radio carbon dating

Jeder Autor hat seinen Abschnitt mit einer so ausführlichen Bibliographie versehen, dass dies immer eine gute Basis für weitere Arbeiten sein kann. Generell macht dieser Sammelband einen fundierten Eindruck mit einer recht guten Auswahl bezüglich der geographischen Aspekte. Gelungen finde ich die Mischung aus mehr deskriptiven und eher theoretischen, vergleichenden Kapiteln, ebenso die Einbindung moderner Untersuchungsmethoden. Dass Nordafrika, speziell die Sahara, ganz fehlt und Asien etwas kurz wegkam, bedaure ich sehr. Zwei oder drei weitere Artikel hätten das Werk abgerundet. Trotzdem hat mich diese ‚Archäologie der Felsbildkunst’ sehr bereichert.

 

(Wolfgang Creyaufmüller)