Claudia Emmendörfer-Brößler

Feste der Völker - ein multikulturelles Lesebuch, 269 S., 1999; ISBN 3-88864-284-1
Feste der Völker - ein pädagogischer Leitfaden, 225 S., 2000; ISBN 3-88864-285-X

Hrsg.: Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main
VAS-Verlag Frankfurt

Hand aufs Herz - kennen Sie den meletianischen Kalender? Um ehrlich zu sein, ich kenne ihn auch erst seit der Lektüre dieses Buches (er ist eine Mischung aus julianischem und gregorianischem Kalender).
Warum trägt Lucia beim Umzug am 13. Dezember (Mittwinter nach altem Kalender) 7 Kerzen auf dem Kopf?
Seitdem eine alevitische Abiturientin öfters zu Gast bei uns im Hause war, wuchs das Bedürfnis, einiges über diese muslimische Strömung zu erfahren.
Sind Sie mit ähnlichen Lebenssituationen im alltäglichen oder außergewöhnlichen Umgang konfrontiert worden, dann ist das multikulturelle Lesebuch eine Fundgrube für Sie.
Die Ethnologin Claudia Emmendörfer-Brößler stellte eine Sammlung von 69 Festen zusammen, die quer durch die Religionen und Kulturen der Welt gefeiert werden und auch infolge der Globalisierung in der einen oder anderen Form in Deutschland Einzug halten (oder man stößt im Urlaub im Ursprungsland auf sie).
Nach Jahreszeiten geordnet beginnt die Autorin mit diversen Neujahrsfesten. Vier Fastnachtsbräuche folgen, danach Frühlingsfeste, Fastenzeiten, Ostern. Christliche Heiligenfeste in Mittel- und Osteuropa, in Lateinamerika und so weiter. Auch der türkische Schalk Nasreddin Hodscha wird gewürdigt, islamische, jüdische und hinduistische Feste und Bräuche werden beschrieben, aber auch Halloween und Guy Fawkes Night. Das erste Kapitel führt kompetent und gerafft durch die maßgeblichen Kalender der Weltkulturen. Insgesamt liest sich jeder Abschnitt leicht ohne allerdings platt zu sein, informativ ohne aufdringlich, belehrend oder überfrachtet zu wirken. Ein Lob für diese gelungene Darstellung.
Wer eine Sammlung der Jahresfeste weltweit sucht, findet hier einen gelungenen Einstieg und eine gute Literaturliste für detaillierteres Eintauchen in die Thematik.

Der pädagogische Leitfaden bietet im letzten Drittel ungekürzte Auszüge aus dem oben beschriebenen Lesebuch. Der übrige Teil besteht aus kleinen Aufsätzen von 28 Co-AutorInnen und ist geordnet nach Kindergarten- und Grundschulbereich bis hoch zu Projekten im Sekundar I und II-Bereich. Man erfährt beispielsweise, wie für ein einzelnes jüdisches Kind das Chanukka-Fest im Kindergarten begangen werden kann. Oder wie man mit muslimischen Kindern das Zuckerfest zum Ende des Ramadan feiert. Eine Frankfurter Grundschule führt den Leser mit multikulturellen Kalenderblättern durchs Jahr. Projekte für die Oberstufenarbeit lassen sich auch an Waldorfschulen ohne Transformationsprobleme im Religionsunterricht umsetzen, wenn Bedarf besteht. Das brasilianische Fest "Bom Jesus do Bonfim" wird für das Fach Geschichte in der Oberstufe aufbereitet, kann aber auch für Geographie eine Anregung sein. Die Kalendersysteme geben viele Beispiele für den Mathematikunterricht her.
Der Pädagoge, der Anregungen außerhalb ausgetretener Pfade sucht, könnte hier fündig werden, durchaus auch der Klassenlehrer, der hier auf kompakte Zusammenfassungen zurückgreifen kann (nur als Beispiel zum Abschluss - die Lichterfeste im Verbund: Advent, Chanukka, Diwali, Kandil, Semah, Lucia, Weihnachten). 
Obwohl der Leitfaden das Lesebuch teilweise wiederholt, ergänzen sich die Bücher sehr gut. Ich habe sie mit Gewinn gelesen - sind Sie neugierig geworden?

(Wolfgang Creyaufmüller, Aachen)