Lang lebe die Königin!

 

Vielleicht merkt der Lehrer nicht, dass der Aufsatz gar nicht von meinem Vater handelt, dachte Sara. Sie hoffte jedenfalls, er werde nicht danach fragen. (Anfang)

 

Autor:

Esmé Lammers

Erscheinungsjahr

1997 // 1998/2004 (3. Aufl.)

Original:

Lang leve de Koningin

Verlag:

Uitgeverij Leopold // Verlag Freies Geistesleben

ISBN:

3-7725-1796-X

Subgenre:

Jugendbuch

Seitenzahl:

173 S.

 

Die achtjährige Sara ist in der Schule ein schwieriges Kind, lernt schlecht, mauert und wird gehänselt. Ihren Vater kennt sie nicht und die Mutter schweigt zu diesem Thema. So gibt es Konfliktpotential auf mehreren Ebenen. Einige Positionen ändern sich, als Victor mit seinem Vater in die Gegend zieht, die beiden Kinder sich befreunden und der Junge in Saras Klasse kommt. Verbindungspunkt ist ein Kinderschachspiel. Zum Spiel gehört das Buch „Lang lebe die Königin!“ in dem die Entwicklung des Schachs mit seine Regeln kindgerecht erzählt wird. Sara liest es und die Figuren beginnen für sie zu leben mit der Geschichte zusammen. Sara wird sogar Teil der Handlung am Hof der weißen Königin, deren Gemahl immer wieder Krieg führen will, durch das zu entwickelnde Spiel aber auf andere Gedanken gebracht wird. In der Schule erteilt Saras Lehrer Schachunterricht für besonders gute Schüler zu denen das Mädchen aufgrund ihrer Leistungen jedoch nicht gehört. Mit der Hilfe des Zauberschachs lernt Sara in kürzester Zeit die Regeln und besiegt sogar ihren Lehrer in einer Auswahlrunde, die ihr die Teilnahme an einem Simultanspiel gegen den Südafrikaner Bob Hooke ermöglicht. In ihm erkennt sie den Vater, von dem sie nie erfahren durfte, aber ihre Mutter setzt alles daran, den Kontakt zu verhindern.

 

Die Handlung des Buches ist linear, das Ende eigentlich keine Überraschung. Einerseits wird das Verhalten eines Kindes geschildert, das man heute als „Sternenkind“ oder „Indigokind“ bezeichnen würde, das unentdeckte Spezialbebungen hat an der Grenze zum Genie, schulisch außergewöhnliche Wege beschreitet. Das wird illustriert, wie das Mädchen die Zwölferreihe lernt. Auf der anderen Seite ist die zart angedeutete Liebesgeschichte der Eltern, deren Scheitern oder unerfüllte Seite Thema ist. Eltern, die beide auf ihre Weise exzentrisch sind, sich dann aber am Ende doch finden.

Im Zentrum des Geschehens steht aber das Zauberschach: Sara liest ein Buch im Buch, das den gleichen Titel trägt und taucht dann sogar selbst in der Geschichte, die sie liest, selbst handelnd auf. Hier werden die Ebenen bis zur Traum- oder Anderswelt einerseits deutlich, andererseits ineinanderverwoben. Nur Sara hört ihre Schachfiguren, sieht sie sich bewegen und spricht mit ihnen, berät sich. Drucktechnisch ist das Buch im Buch mit Krönchensymbolen markiert.

Die Partien, die als Muster dienen, sind historische Partien, die der damalige Weltmeister Max Euwe, Großvater der Autorin, spielte – höchstes Niveau also.

Das Buch ist die Umsetzung eines Filmdrehbuchs. Es ist reichhaltig bebildert. Der Film ist ein eigenständiges, tief beeindruckendes Werk.

Die Geschichte rührt stark am Gemüt, man fühlt sich ergriffen, weil ein schweres Schicksal mit zarten Andeutungen, aber trotzdem sehr direkt behandelt wird. Ein brennendes Gegenwartsproblem: Erwachsenenkonflikt bis zur Sprachlosigkeit, Kindverhalten an der Grenze zum Autismus und dabei Veranlagung zum Genie, das Gottseidank nicht untergeht. Sara als Protagonistin ist eine Figur, die Kinder und ältere Leser lieb gewinnen können, aber auch Saras Eltern geben viel Raum für mögliche Leseridentifikation.

Insgesamt ein außergewöhnliches Buch mit großem Tiefgang, das ohne Ermüdungserscheinung mehrfach lesenswert ist

Wolfgang Creyaufmüller, Aachen

 

Online-Rezension:    http://www.bibliotheka-phantastika.de