Roland Emmerich (Regie)

The Day After Tomorrow 

Film: USA 2004, 123 Min

 

Im Eis der Antarktis tun sich gigantische Risse auf, in Neu-Delhi herrscht Schneetreiben und auf dem Nordwest-Atlantik werden plötzlich 13° C höhere Wassertemperaturen gemeldet.

Ganz so schnell geht es dann doch nicht. Nur kleinere Vergehen werden sofort bestraft, die großen später: Der dem Reiswein zugetane Tokyoter (der via Handy seiner Ehefrau verspäteten Feierabend meldet) wird prompt von einem riesigen Hagelgeschoss erschlagen; der auf die falschen Berater vertrauende amerikanische Präsident erliegt immerhin erst 60 Filmminuten später samt Entourage einem Schneesturm. Und sein Vize gar, der trotz der – zumindest für das geneigte Publikum – überdeutlichen Zeichen an der Wand trotzig Wirtschaftsinteressen Vorrang vor der Umwelt gibt, darf wiederum fast 45 Minuten später geradezu geläuterte Worte an die Nation richten. Dann kommt aber auch schon der Abspann, und wir erfahren weder, was weiterhin aus dem Manne, noch was aus der verbliebenen Welt wird.

Die Bilder, die man in diesem Film sieht, könnten theoretisch alle Wirklichkeit werden. Nicht in der kurzen Abfolge und teilweise auch mit anderen Ursachen. Die Gegensätze beeindrucken: Wir reden von der Erwärmung der Erde und sehen eine neue Eiszeit, wir erleben die Einwanderung aus Mexiko in die USA und sehen hier die Flucht der Amerikaner in den Süden, das Wasser wird knapp, aber hier versinken die Wolkenkratzer und die Freiheitsstatue von New York in einer Sintflut, nur der Kopf und die triumphierende Siegeshand schauen noch heraus.

Beeindruckend sind die Bilder, die rührigen menschlichen Geschichten dagegen sind reine Geschmackssache; sie kommen zigfach in anderen Filmen auch vor. Mir erscheinen sie nicht besprechungsbedürftig.

Die Riesenwelle, die auf Manhattan hereinbricht, hat mit einer Eiszeit nichts zu tun. Derartige Wellen entstehen durch Erdbeben oder einen entsprechend großen Meteoriten. So etwas hat es tatsächlich ja schon gegeben. Man denke nur an den Meteoritenkrater von Arizona oder – etwas näher liegend – an das Nördlinger Ries.

Der Vergleich mit den Bildern des 11. September drängt sich auf. Waren es dort die Staub- und Rauchmassen des Feuers, die durch die Häuserschluchten quollen, sind es im Film die Wassermassen, die einen russischen Frachter die Fifth Avenue hinaufschwemmen und vor der Public Library zum Stehen bringen.

Eiszeiten? Kein Problem: Günz, Mindel, Riss und Würm, jeder Schüler in Süddeutschland wächst mit diesen Begriffen auf. Aber das ist doch längst vorbei! Doch der wundersame Golfstrom, der als natürliche Wärmepumpe im Atlantik (Nordatlantikstrom) warmes Wasser in die nördliche Hemisphäre leitet und so das Baden in der Nordsee ermöglicht, könnte ja plötzlich versiegen. Eisberge vor Sylt! Warum? Die Salzkonzentration kann abnehmen, wenn durch die Erwärmung das Eis abschmilzt, verstärkt Süßwasser ins Meer kommt und dadurch die Strömungsverhältnisse geändert werden.

Für alle gezeigten Phänomene gibt es mehr oder weniger plausible, oft mehrere Erklärungen. Dass der Mensch durch sein Verhalten eine dieser Ursachen sein kann, gibt dem Film seinen pädagogischen Sinn. Entscheidend ist aber die Tatsache, dass nicht der einzelne Mensch, sondern die Menschheit in ihrer Gesamtheit diese Ursachen bewirkt. Der Einzelne ist machtlos, solidarisches Handeln ist angesagt. Insofern muss die zukünftige Menschheit lernen, damit umzugehen. Wenn also jemand nicht nur die momentane Spannung im Film genießt, sondern diese überführen kann in die spannende Zukunftsfrage, hat der Film etwas »bewirkt«.

Beruhigend sind die letzten Worte, nachdem alles vorüber ist. Sie werden von dem russischen Kosmonauten in der bemannten Raumkapsel beim Anblick unseres wunderschönen blauen Planeten gesprochen: »Die Luft war noch nie so klar«. 

Hansjörg Hofrichter

 

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